Gebäude

Die wechselvolle Geschichte der Friedenskapelle – „Der schönste Kunstbau im ganzen Rheinkreis“
von Michael Staudt

nachweislich eins der ersten
bayerischen Leichenhäuser.

Bei der Friedenskapelle in der Friedenstr. 42 handelt es sich um das von 1832 bis 1835 erbaute Leichenhaus des alten Friedhofs. 1828 war die Errichtung dieses Friedhofs im Osten der Stadt durch die königlich-bayerische Regierung genehmigt worden. Die Friedenskapelle war nachweislich eins der ersten bayerischen Leichenhäuser. Zuvor war es Brauch in Bayern und der Pfalz, Verstorbene bis zur Beerdigung im Sterbehaus zu behalten.

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Friedenskapelle: historische Aufnahme

Leo von Klenze (1784-1864) als Vorsitzender des Baukunstausschusses in München, neben Karl Friedrich Schinkel bedeutendster Architekt des Klassizismus, hat Teile der Planung, die von der Kgl. Bauinspektion Kaiserslautern und seinem Bezirksinspekteur Beyschlag in München eingereichten Baupläne beanstandet. Beyschlag hatte Pläne für ein Leichenhaus vorgelegt mit einem Saal für die Grabreden, der im Falle eines Krieges oder einer Seuche auch als Krankensaal genützt werden konnte, Aufbewahrungsräumen für die Leichen und einer Wohnung für den Leichenwärter.

herausragendes
Beispiel
klassizistischer
Architektur

Leo von Klenze hat nach Münchner Vorbild eine neue Fassade geplant und damit den Grundstein für ein herausragendes Beispiel klassizistischer Architektur in Kaiserslautern gelegt. Am 10. März 1832 kamen die „vom Baukunst-Ausschuss entworfenen und von Seiner Königlichen Majestät (S.K.M.) genehmigten Pläne“ mit der Bestimmung nach Speyer zurück, „daß die Ausführung dieses schönen und nicht kostspieligen Projektes keinem Anstande unterliegen werde.“

Am 5. April 1832 übergab Bezirksinspektor Beyschlag dem Bürgermeisteramt die Baupläne. Darin wird das Gebäude wie folgt beschrieben: „Das Leichenhaus enthält einen Saal, in welchem die Grabreden gehalten werden sollen, wenn das Wetter nicht günstig ist, dieselbe am Grabe zu halten und kann im Falles eines Krieges oder einer ansteckenden Krankheit als Krankensaal benützt werden, zu welchem Zwecke eine Kaminröhre angebracht wird, um einen Ofen, welcher im Saal geheizt wird, aufstellen zu können.

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Friedenskapelle: historische Aufnahme

Zu diesem Saale führen aus dem geräumigen Vorplatz doppelte Flügeltüren, um einem größeren Publikum bei einer Trauerrede bei geöffneten Flügeltüren Raum zu gewähren. Dem Saal gegenüber befindet sich an der vorderen Front die Wohnung des Leichenwärters, bestehend aus einem Wohnzimmer, Schlafzimmer und Küche. Auf der hinteren Seite befinden sich zwei Zimmer zur Aufstellung männlicher und weiblicher Leichen, aus welchen Glastüren in das Wohnzimmer des Leichenwärters führen, ferner ein Zimmer zur Section…“, so Voit Kotzur in seinem zweiten Band über die Denkmaltopographie aus dem Jahr 1977. (Kotzur, S. 101f) Beyschlag machte eigens auf die Notwendigkeit „sehr geschickter Steinhauer“ und einer guten Bauaufsicht aufmerksam: „Was bei einem so bedeutenden Bau, welcher der Schönste im ganzen Rheinkreis werden wird, dringend erforderlich ist …“ (Kotzur, S. 102)

Die Baukosten betrugen
bis zur Fertigstellung
im Jahr 1835
7000 Gulden.

Die Bauarbeiten wurden nach öffentlicher Ausschreibung dem Lautrer Maurermeister Michael Schmeißer übertragen. Schwierigkeiten gab es dennoch nach dem Baubeginn mit der Überwachung der Arbeiten. Nach Ansicht von Beyschlag sollte Baupraktikant Bell die Bauaufsicht führen, die Kosten dafür die Stadt Kaiserslautern übernehmen. Der Stadtrat weigerte sich aber aus finanziellen Gründen den Baubeamten Bell zu entlohnen und entschied, auch die Bauaufsicht gänzlich dem beauftragten Maurermeister Michael Schmeißer zu übertragen. Warnungen aus Speyer wurden in den Wind geschlagen. Die Befürchtungen werden sehr rasch bestätigt. Schmeißer nahm eigenmächtig Änderungen an den Bauplänen vor. Erst ein Regierungsentscheid vom 5. September 1832 konnte die planmäßige Ausführung sicherstellen. Mit der Überwachung der Bauarbeiten und der Anfertigung aller weiteren Detailzeichnungen wurde der Baupraktikant Bell beauftragt. Die Baukosten betrugen bis zur Fertigstellung im Jahr 1835 7000 Gulden.

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Friedenskapelle: historische Aufnahme

Der Denkmalschutz bezeichnet den Baukörper als „momumentalen eingeschossigen Sandsteinquaderbau in klassizistischen Formen mit beidseitigem Säulenportikus.“: „Der eingeschossige querrechteckige Bau bildet nach der Straßen- und Friedhofsseite identische Fassaden aus. Die Mitte wird akzentuiert durch einen Säulenportikus in dorischer Ordnung. Zwei äußere Pfeiler und zwei eingestellte dorische Säulen tragen das verkröpfte Triglyphengebälk und einen Dreiecksgiebel. Zu beiden Seiten des Portikus öffnen sich drei geböschte Fenster. Eckpilaster betonen die Gebäudeaußenkanten.“ (Schlote, Villen, … Ausstellungskatalog 2003, Theodor-Zink-Museum, S. 18)
Das Bauwerk orientiert sich daher ganz dezidiert an den „Anforderungen des griechisch-dorischen Styles“.

Allerdings: nach seiner Vollendung blieb das Leichenhaus mehrere Jahre ungenutzt. Die Lautrer blieben ihren alten Traditionen treu. Bis 1838 war nur ein „Selbstmörder“ in der Leichenhalle aufbewahrt worden. Der Bautypus war neu und daher zunächst für die Bevölkerung ein Fremdkörper.

Im Jahre 1874 wurde der alte Friedhof nach der Eröffnung des neuen Friedhofes am Kahlenberg – so gut wie nicht mehr genutzt. Die Friedhofskapelle verlor somit zunehmend ihre ursprüngliche Bedeutung.

Die Verwendung der Leichenhalle war von nun an sehr wechselvoll, auch die Benennung änderte sich mehrfach. Sie diente als Allzweckhalle und Geräteschuppen. In den Jahren 1905 bis 1908 war darin die königlich-bayerische bakteriologische Außenstation untergebracht. 1913 bis 1914 diente das Gebäude der Schreiner-Innung als Sarglager. Ein grundlegender Umbau der Innenräume wurde 1937 durchgeführt.

großen Reichsadlers
als Sandsteinrelief
durch Kaiserslauterer
Bildhauer Sepp Mages

Die Nationalsozialisten richteten in der ehemaligen Leichenhalle nach einer Wettbewerbsausschreibung einen sogenannten Ehrenhain ein, ihrer „edlen und strengen Form wegen“. (Kotzur, S. 104) Zu dem Wettbewerb, den die Stadt Kaiserslautern ausgeschrieben hatte, waren insgesamt 27 Entwürfe eingereicht worden. Die Umgestaltung des Innern wurde 1937 nach den Plänen der beiden Wettbewerbsgewinner Architekt A. Mayer-Caster und K. Anders, beide aus Ludwigshafen, durchgeführt. Die Anbringung eines großen Reichsadlers als Sandsteinrelief im Innern übernahm der Kaiserslauterer Bildhauer Sepp Mages. (ein gesonderter Beitrag folgt)

am 15. September 1949
Umbenennung zur
„Friedenskapelle“

Die letzte Umbenennung zur „Friedenskapelle“ vollzog sich am 15. September 1949, nun wurde die Leichenhalle viele Jahre als protestantische Notkirche genutzt. 2001 gab die evangelisch-freikirchliche Baptistengemeinde, die das Gebäude zwischenzeitlich genutzt hatte, den Ort auf. 15 Jahre lang stand die Friedenskapelle erneut leer. Pläne gab es viele, sie reichten von der Errichtung eines deutsch-französischen Kulturzentrums im Jahr 2001 über ein Architekturregal der TU Kaiserslautern 2014, bis zum Nutzen als Vereinsheim einer Tai-Chi-Akademie im Jahr 2015.

Ab 1. September 2016 richtet nun die Volkshochschule in Kooperation mit dem Kulturreferat der Stadt, der ZukunftsRegion Westpfalz und dem Verein für Baukultur und Stadtentwicklung eine soziokulturelle Begegnungsstätte ein und wirbt Spenden ein zur Innensanierung des historischen Baukörpers.

© VHS KL, Juli 2016

Literatur/Quellen:

Alte Stadtansichten (176), Die Rheinpfalz v. 13.02.2010, Stadtarchiv Kaiserslautern

Blaul, Friedrich, Träume und Schäume vom Rhein, Nachdruck der 4. Auflage 1923, Pirmasens 1972, S. 67.

Friedhofskapelle soll Kulturzentrum werden, Die Rheinpfalz v. 21. August 2001, Stadtarchiv Kaiserslautern.

Kaiserslautern, Leichenhalle, in: Kotzur, Hans-Jürgen, Forschungen zum Leben und Werk des Architekten August von Voit. Band 2: Katalog der Bauten Voits in der Pfalz. Heidelberg 1977, S. 101-105.

Öffentliche Bauten des Historismus und der Gründerzeit in Kaiserslautern, 1. Ehem. Leichenhalle; in: Peter F. Dunkel, Marlene Jochem u.a., Schlote, Villen,Gartenlaube, Historismus und Gründerjahre in Kaiserslautern, Schriften des Theodor-Zink-Museums 5, Kaiserslautern 2003.

Wechselvolles Schicksal der Friedenskapelle, Von der Leichenhalle zum Bakteriologischen Institut, Pfälzische Volkszeitung v. 15.8.1959, Zeitgeschichtliche Sammlung Stadtarchiv.

Wissenswertes über den „Alten Friedhof, Friedenskapelle und Franzosenstein Zeugen der Vergangenheit, Die Rheinpfalz v. 31.7.1963, Zeitgeschichtliche Sammlung des Stadtarchivs.